Der Verband der Schulaufsicht des Landes Thüringen als die zuständige Fachgewerkschaft innerhalb des Thüringer Beamtenbundes verschließt sich keinesfalls Bestrebungen der Landesregierung, in der Landesverwaltung in Zukunft noch effizienter arbeitende und kostengünstigere Strukturen zu schaffen. So würde der VSLT e.V. eine angemessene Reduzierung der Zahl der staatlichen Schulämter auch mittragen und in den Reihen seiner Mitglieder für die Akzeptanz derartiger Beschlüsse werben.
Der Umfang der vorgesehenen Behördenschließungen überschreitet jedoch nach weitgehend übereinstimmender Auffassung der Mitglieder des Verbandes und der übrigen Mitarbeiter der staatlichen Schulämter erheblich das vertretbare Maß und trifft auf völliges Unverständnis bei den Bediensteten der unteren Schulaufsicht. Die gemäß Verordnungsentwurf vorgesehene einschneidende Reduzierung der Staatlichen Schulämter im Freistaat Thüringen von derzeit elf auf zukünftig nur noch fünf wird deshalb von Seiten unserer Fachgewerkschaft abgelehnt.
Unstrittig war bisher, dass sich die zweigliedrige Schulaufsicht im Freistaat Thüringen mit dem Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur als oberer Schulaufsichtsbehörde und mit dem flächendeckenden System der staatlichen Schulämter als unteren Schulaufsichtsbehörden, die in den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten die Fachaufsicht über die Schulen und die Internate sowie die Dienstaufsicht über alle Schulleiter, stellvertretenden Schulleiter, Lehrer, Fachleiter, Lehramtsanwärter, Sonderpädagogischen Fachkräfte und Erzieher haben, im Grundsatz bewährt hat.
Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD im November 2009 teilte die Ministerpräsidentin unserer Fachgewerkschaft in einem Brief folgerichtig mit:
„Erfreulicherweise konnte zwischen den Koalitionspartnern Übereinstimmung erzielt werden, bei der Weiterentwicklung des Thüringer Schulsystems von den bewährten Strukturen auszugehen. So ist eine Änderung der Schulaufsicht nicht vorgesehen.“
Neben der Fach- und Dienstaufsicht über die Schulen ist den Schulämtern auch die Aufsicht über die Erfüllung der den Schulträgern obliegenden Angelegenheiten (§ 4 Abs. 3 des Thüringer Gesetzes über die Schulaufsicht) übertragen. Die Schulämter beraten und unterstützen die Schulen in ihren Aufsichtsbereichen bei der Erfüllung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgaben, insbesondere bei der Vorbereitung auf neue pädagogische Problemstellungen und bei der Entwicklung eines eigenen Schulprofils.
Der VSLT als zuständige Fachgewerkschaft innerhalb des tbb ist fest davon überzeugt, dass die in Deutschland anerkannten Erfolge des Thüringer Schulwesens zu einem Gutteil der intensiven Vor-Ort-Arbeit der Schulämter, u.a. im Bereich der Schulentwicklung, zu verdanken sind. Nähe zu den Schulen und zur Elternschaft, ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Schulaufsichtsbeamten und den Funktionsträgern in den Schulen, von Sachkompetenz geprägte Zusammenarbeit mit allen Bildungsbeteiligten in der Region und insbesondere auch die umfassende Detailkenntnis der handelnden Personen, Reformprozesse betreffend, war in den zurückliegenden Jahren ein Hauptvorzug der in Thüringen entwickelten und praktizierten Dialogischen Schulaufsicht. Wir sehen eine erhebliche Gefährdung dieses Erfolgsinstrumentariums, wenn die Landesregierung am jetzt vorgesehenen Umfang ihrer einschneidenden Einsparvorhaben festhält.
Die Landesregierung argumentiert, ihren Verordnungsentwurf begründend, dass die in den zurückliegenden Jahren deutlich gesunkene Schülerzahl den von ihr vorgesehenen Umfang der Verwaltungsreform rechtfertigen würde.
Bei dieser Argumentation lässt sie jedoch außer Acht, dass
- die Anzahl der Schulen bei weitem nicht im gleichen Umfang wie die Schülerzahl geringer geworden ist.
- Thüringen ein Flächenland mit nach wie vor vielen Schulstandorten ist und die Schulen über ihre bildungspolitische Funktion hinaus in der jeweiligen Region gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben,
- der Prozess der Schulschließungen die Talsohle durchschritten und seit längerem zu einer weitgehend stabilen Standortverteilung geführt hat,
- das Aufgabenspektrum der unteren Schulaufsicht in Folge vielfältiger Reformvorhaben aller bisherigen Landesregierungen ständig zugenommen hat.
Obwohl das TMBWK seit Anfang 2010 den Gedanken verfolgt, eine Reduzierung der Schulämter zu vollziehen, ist es bis heute versäumt worden - wie vom VSLT wiederholt gefordert – eine inhaltliche Diskussion über die zukünftigen Aufgaben der unteren Schulaufsicht unter Beteiligung aller Akteure in den Schulämtern zu führen, um gemeinsam nach innovativen Ansätzen für eine zukunftsfähige Schulaufsicht zu suchen. Es ist festzuhalten, dass gerade in Zeiten des stärksten Rückganges der Schülerzahlen den staatlichen Schulämtern zahlreiche zusätzliche Aufgaben und Befugnisse vom zuständigen Ministerium übertragen wurden. Vor dem Hintergrund, dass alle bisherigen Landesregierungen der Entwicklung des Thüringer Schulwesens besondere Priorität eingeräumt hatten, ist das auch verständlich. Nicht zuletzt die erreichten Ergebnisse in den verschiedenen nationalen und internationalen Vergleichen haben diesem Weg rechtgegeben.
Der inzwischen seitens des TMBWK entwickelte Entwurf der Geschäftsordnung für die neuen Schulämter lässt deutlich erkennen, dass auch die gegenwärtigen Ministeriumsexperten keine Ansätze zur Aufgabenreduzierung gefunden haben, um die im Verordnungsentwurf behauptete Konzentration auf die Kernaufgaben der Schulaufsicht zu vollziehen.
Das kann schon deshalb nicht gelingen, leiten sich doch die Aufgaben der Schulaufsicht aus dem Grundgesetzgebot des Artikels 7 ab und sind so deutlich von anderen staatlichen Verwaltungsaufgaben herausgehoben.
Bereits Rechtsgutachten aus den 90er Jahren haben deutlich gemacht, dass der Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der unteren Schulaufsicht nicht unbegrenzt ist und dass trotz großer Vielfalt der Schulsysteme der Länder der Bundesrepublik und unterschiedlicher Organisationsformen der Schulaufsicht im Kern von allen Landesregierungen den Schulämtern weitgehend vergleichbare Aufgabenspektren übertragen worden sind.
Eine weitgehende Reduzierung der Schulämterstandorte mit der zunehmenden Eigenverantwortung der Schulen zu begründen, halten wir für falsch.
Das Gegenteil ist der Fall. Schulische Eigenverantwortung bedingt ein höheres Maß an zeitintensiver Beratung und erfordert trotz heute zur Verfügung stehender moderner technischer Kommunikationsmittel noch immer den persönlichen Kontakt mit den Schulleitungen vor Ort. Eigenverantwortung entwickelt sich nicht im Selbstlauf. Die Erfahrungen der letzten Jahre mit dem Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ haben sehr deutlich gezeigt, dass es bei einer großen Zahl von Schulen erheblicher Überzeugungsarbeit bedarf, den eröffneten Weg auch zu gehen. Als im erheblichen Maße zeit- und personalaufwendig hat sich auch der Prozess der Evaluation und Erarbeitung der Zielvereinbarungen herausgestellt. Beides verlangt einen intensiven Einsatz schulaufsichtlichen Fachpersonals.
Größere Eigenverantwortung setzt ein wesentliches Aufgabenfeld der Schulaufsicht nicht außer Kraft. Die Tatsache, den Schulleiter regelmäßig dienstlich beurteilen zu müssen, verlangt umfassende Kenntnisse der Arbeitsweise dieser Funktionsträger einschließlich deren Unterrichtstätigkeit. Wie jetzt geplant, wird sich der Betreuungsschlüssel erheblich verschlechtern. Wenn einzelne Referenten künftig bis zu 100 Schulen betreuen müssen, können sie nur oberflächliche Kenntnisse über die Leistungen, Fähigkeiten und die Eignung der ihnen unterstellten Schulleiter erwerben. Damit ist sowohl die Rechtssicherheit der Beurteilten als auch die Belastbarkeit von Beurteilungen im Streitfall nicht mehr gewährleistet.
Eine Reduktion der Schulamtsaufgaben auf bloße Kontrollfunktion wird weder der Rechtsstellung der unteren Schulaufsicht gerecht noch entspricht sie den Erwartungen der Gesellschaft an das öffentliche Schulwesen.
Nicht der Gesetzgeber oder das Ministerium, sondern die staatlichen Schulämter sind durch das konkrete Handeln ihrer Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten ein wesentlicher Garant für die Wahrung gleicher Bildungs- und damit Aufstiegschancen aller Kinder und Jugendlichen. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben die Länder der Bundesrepublik bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Schulsysteme immer daran festgehalten, dass in der Schulaufsicht Lebenszeitbeamte Dienst leisten, die im Ergebnis einer Bestenauswahl diese Aufgabe übertragen bekommen.
Nach Ansicht des VSLT gefährdet die Landesregierung mit der Streichung von acht der bisher dreizehn Behördenstandorte den Erfolg seiner eigenen schulischen Reformvorhaben. Gerade längeres gemeinsames Lernen, das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder und die inklusive Bildung erfordern weiterhin intensive Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit an den einzelnen Schulen.
Die Landesregierung argumentiert in ihrem Verordnungsentwurf, gewachsene Strukturen berücksichtigt zu haben.
Der VSLT stellt fest, dass dies nur sehr partiell der Fall ist und allenfalls auf den Bereich Ostthüringen zutrifft.
Der VSLT gibt hingegen zu bedenken, dass durch das vorgesehene drastische Ausmaß der Ämterschließung ein Großteil der Netzwerke der Zusammenarbeit der Bildungs- und Erziehungsbeteiligten in den Regionen zerreißen werden. Aushandlungsprozesse, wie sie für die Schulentwicklung unabdingbar sind und die Vertrauen vor Ort voraussetzen, werden erheblich erschwert oder sogar unmöglich. Die Auflistung kontraproduktiver Effekte ließe sich weiter fortsetzen. Nicht nur Schulträger und Träger der Kinder- und Jugendarbeit werden neu zugeordnet, sondern es müssen auch neue Strukturen der Zusammenarbeit mit den Kammern, den Arbeitsämtern und verschiedenen anderen Institutionen aufgebaut werden. Gerade erst hatte das Projekt NELECOM gezeigt, wie fruchtbringend eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der verschiedensten Akteure innerhalb einer (überschaubaren) Region sind.
Vor dem Hintergrund inzwischen offenbar bestehender Übereinstimmung innerhalb der Landesregierung über die Notwendigkeit einer Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen verwundert die Eile, mit der jetzt eigenständige neue Schulaufsichtsstrukturen geschaffen werden sollen.
Es ist durchaus keine unreale Befürchtung, dass schon in überschaubarer Zeit eine erneute Korrektur der örtlichen Zuständigkeiten erfolgen muss. Die seit Jahren bestehende Überschneidung von Schulverwaltungs-, Kammer-, und Arbeitsagenturbezirken erschwerte die Arbeit der Schulämter in den letzten Jahren ohnehin und könnte mit einer abgestimmten Verwaltungsreform überwunden werden. Diese Chance wird mit dem jetzigen Vorprellen in einem Teil der Landesverwaltung leichtfertig vergeben.
Dass allein dem Sparzwang untergeordneter Behördenumbau wenig effektiv ist, zeigen die 2007 vollzogenen Fusionen der Schulämter Jena/Stadtroda und Gera /Schmölln. Bis heute sind die angekündigten Synergieeffekte ausgeblieben. Über zwei Jahrzehnte gewachsene Arbeits- und Kommunikationsstrukturen in den jeweiligen Schulamtsregionen sind ein nicht zu unterschätzendes Erfolgspotential. Es sollte nicht zugunsten vermeintlicher finanzieller Einsparungen im Landeshaushalt bei gleichzeitig nicht mehr überschau- und beherrschbarer Strukturen aufs Spiel gesetzt werden. Es zu befürchten, dass die erheblich abgemagerte Schulaufsicht über Jahre hinweg hinter den hohen Erwartungen zurückbleiben wird und den anspruchsvollen Gestaltungsauftrag im Schulbereich nicht erfüllen kann.
Der Jahresbericht des Thüringer Rechnungshofes 2010 verdeutlicht, dass das damalige Thüringer Kultusministerium 2007 kein Konzept zu Ziel, Inhalt, zeitlichem Ablauf, Rechtsfolgenabschätzung und Kosten der damaligen Umstrukturierung erstellt hatte. Wenn nunmehr eine weitaus umfangreichere Umstrukturierung der unteren Schulaufsicht vorgenommen werden soll, ohne dass eine erkennbare Aufgabenkritik des bisherigen Systems stattgefunden hat, ist der Misserfolg aus unserer Sicht vorprogrammiert. Wenn zudem Hinweise des Rechnungshofes zur Arbeitsweise einzelner Schulämter ungeprüft auf die gesamte Arbeitsweise der unteren Schulaufsicht übertragen werden, muss das zwangsläufig zu falschen Schlussfolgerungen führen.
Grundsätzlich abzulehnen ist deshalb u.a. die Absicht, schulaufsichtliche Aufgaben an Sachbearbeiter zu übertragen. Es ist in der Bundesrepublik völlig unstrittig, dass Schulaufsichtsbeamte über das Lehramt in derjenigen Schulform verfügen müssen, über die sie die Aufsicht führen sollen, mithin in der Laufbahn des höheren Dienstes eingeordnet sind. Eine Änderung dieses Grundsatzes wäre nicht sachgerecht und müsste zudem mit einer Änderung des Thüringer Schulaufsichtsgesetzes einhergehen. Es ist nicht bekannt, dass dies geplant ist.
Es ist nach Überzeugung des VSLT notwendig, den Verordnungsentwurf in Verbindung mit dem Gesamtbeschluss der Landesregierung vom 22. März 2011 zu betrachten.
Wenn jetzt argumentiert wird, dass Schulaufsicht in der Zukunft in ihren Kernkompetenzen gestärkt werden soll, so sprechen die konkreten Zahlen eine völlig andere Sprache.
Der Anteil pädagogisch qualifizierten Personals in den 11 Thüringer Schulämtern beträgt gegenwärtig 41,5 %. Das Personalverwaltungs- und Planungspersonal macht jetzt schon mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter aus. Einsparungen im Bereich dieser Mitarbeiter sieht der Kabinettsbeschluss nicht vor.
Im Bereich der Fach- und Dienstaufsicht über die Schulen sollen hingegen einhergehend mit der Ämterreduzierung 52 Referentenstellen entfallen. Es handelt sich dabei durchweg um pädagogisches Fachpersonal in den Ämtern Schulrat und Schulamtsdirektor.
Die Reform wird demnach den Anteil pädagogisch wirksamen Personals auf knapp 16 % senken. Statt die Kernkompetenz der staatlichen Schulämter zu stärken, würden sich diese so nahezu zu reinen Verwaltungsbehörden entwickeln, bei denen die Beratungsfunktion völlig unter die Räder geraten würde. Top-Down-Strategien müssten zunehmend den Arbeitsstil der Mitarbeiter bestimmen. Die Thüringer Schulaufsicht ist zwei Jahrzehnte erfolgreich einen anderen Weg gegangen.
Gerade die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass Schulämter aufgrund neuer Lebens- und Konflikterfahrungen von Kindern und Jugendlichen immer stärker im Bereich der Einzelfallintervention gefordert sind. Die beabsichtigte radikale Ausdünnung gerade des pädagogischen Personals wird Problemlösungsprozesse in Zukunft weitgehend verhindern. Daran ändern auch 35 Schulpsychologen nichts. Mit deren zahlenmäßigen Aufstockung werden lediglich Standards erreicht, die in anderen Bundesländern längst Alltagspraxis sind. Wir begrüßen die Verstärkung der Schulpsychologie ausdrücklich, schulaufsichtliches Fachpersonal im eigentlichen Sinne kann diese aber nicht kompensieren.
Die Absicht, qualifiziertes (pädagogisches) Personal nicht mehr im ausreichenden Maße vorzuhalten, widerspricht im Übrigen dem Thüringer Schulaufsichtsgesetz § 2, in dem es im Abs. 5 heißt:
“Mit der Ausübung der Schulaufsicht sind fachlich vorgebildete, hauptamtliche Bedienstete zu beauftragen …“.
Fach- und Dienstaufsicht über mehr als 20000 Diplomlehrer, Studienräte, Oberstudienräte, Studiendirektoren und Oberstudiendirektoren kann unmöglich thüringenweit von gerade einmal 35 Schulaufsichtsreferenten geleistet werden, von denen noch dazu mehr als die Hälfte künftig wie Lehrer im Eingangsamt (also ohne Berufserfahrung) besoldet werden soll.
Die Landesregierung argumentiert, mit der Reduzierung der Schulämterzahl Verhältnisse herstellen zu wollen, wie sie in anderen Bundesländern – beispielsweise in Sachsen und Brandenburg - bereits bestehen.
Der VSLT erwidert, dass dies nur auf die reine Zahl der Ämter zutrifft. Als Vorbild gebendes Beispiel sind beide Länder nicht unbedingt geeignet. So ist die Bevölkerungsdichte in Brandenburg mit 85 Personen je km2 erheblich geringer als die in Thüringen (138 je km2), was zwangsläufig auch eine andere Behördendichte bedingt. In Sachsen wiederum ist die Schulaufsicht anders organisiert als in Thüringen.
Der Landeshaushaltsplan Sachsens weist allerdings eine gegenüber Thüringen günstigere Personalausstattung aus und belegt überdies, dass Schulaufsichtsbeamtenstellen durchweg eine Stufe höher bewertet sind als in Thüringen.
Vergleicht man hingegen die Betreuungsschlüssel verschiedener Bundesländer – also die Anzahl der Schulen, die ein Schulaufsichtsbeamter zu beaufsichtigen hat – so zeigt sich eine weitgehende Ähnlichkeit in Ost und West.
In Thüringen wird sich der Betreuungsschlüssel in allen Schulformen nach der Reform gegenüber den Vergleichsländern verschlechtern. Am deutlichsten geschieht das bei den Grundschulen. Das ist einerseits vor dem Hintergrund der bisher guten Erfolge des Thüringer Grundschulsystems und andererseits bei der weiter bestehenden Notwendigkeit, einen Teil der Grundschulen auf dem Weg der Reform der Schuleingangsphase weiterhin intensiv zu begleiten umso unverständlicher ist.
Während im Durchschnitt der Betreungsschlüssel 1:30 beträgt – auch in Brandenburg – wird er in Thüringen nach der Reform zwischen 1:80 bis 1:108 liegen.
Der VSLT könnte verstehen, wenn der gegenwärtig zugegebener Maßen günstige Thüringer Betreuungsschlüssel dem der meisten anderen Länder angeglichen werden soll. Allein aus Haushaltserwägungen in Thüringen eine deutliche Verschlechterung zuzulassen, bleibt uns hingegen unverständlich.
Die Landesregierung argumentiert in ihrem Entwurf, dass die (verkehrstechnische) Erreichbarkeit der (wenigen) neuen Standorte berücksichtigt worden wäre.
Dieses Argument überzeugt uns nicht.
Mit der Ausnahme Mittelthüringen werden die Wege innerhalb der neuen Strukturen wesentlich länger; für die meisten Eltern zu lang. So beträgt allein die Ost-West- Ausdehnung des künftigen Aufsichtsbereiches im Norden Thüringens mehr als 120 km.
Der Amtsstandort Leinefelde-Worbis liegt alles andere als im Zentrum des Aufsichtsbereiches, auch wenn man die Nähe der A 38 in Betracht zieht. Die meisten Orte Thüringens sind von der Landeshauptstadt Erfurt weitaus weniger weit entfernt als die Orte im östlichen Kyffhäuserkreis vom künftigen Schulamt Worbis. Ähnliches kann man auch für den Standort Suhl mit seinem neuen Aufsichtsbereich über das Schulträgergebiet des Kreises Saalfeld-Rudolstadt feststellen.
Die Behauptung, Eltern hätten kaum direkt mit den Schulämtern zu tun, ist völlig praxisfremd. Eine intensivere Befassung des Kultusministers mit dem Arbeitsalltag der unteren Schulaufsichtsbehörden hätte eine solche Fehleinschätzung verhindert.
Die Landesregierung argumentiert zur Begründung ihres Reformvorhabens u.a. auch mit finanziellen Einsparpotentialen im Bereich der Miet- und Betriebskosten.
Der VSLT betrachtet dies als eine nur eindimensionale Sichtweise.
Nicht gegengerechnet ist u.a, in welchem Ausmaß sich die Kosten für die Dienstreisetätigkeit der Schulräte erhöhen werden. Zwei Faktoren werden hier kostentreibend sein: die größere Entfernung zu den Schulen und der mit den Schulbesuchen verbundene Zeitaufwand. Die erwarteten Einsparungen werden damit wohl relativiert werden müssen, wie das auch in Hinblick auf die Personalkosten der Fall sein wird. Untersuchungen des VSLT ergeben, dass sich der Abbauprozess der 52 Schulaufsichtsbeamtenstellen durch Pensionierung und Altersteilzeitregelung über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren erstrecken wird. Die Erwartung größerer Einsparsummen im Bereich der Besoldung sind nach unserer Auffassung daher eher plakativer Art als dass sie einen realen Wert haben.
Die Landesregierung sagt aus, dass es zu der von ihr vorgesehenen Reduzierung der Schulämter keine Alternativen gäbe.
Der VSLT vertritt dazu die Auffassung, dass der von einer Arbeitsgruppe unter Federführung des TMBWK in der ersten Hälfte des Jahres 2010 erarbeitete Vorschlag, in Thüringen künftig an sieben Standorten staatliche Schulämter zu errichten, konsensfähig sein würde. Diese Variante hätte vergleichbare Schulamtsgrößen zur Folge, ein erheblich größerer Teil der bisherigen Zusammenarbeitsstrukturen blieben erhalten, der Betreuungsschlüssel wäre im Ergebnis dem anderer Bundesländer vergleichbar und die Aufsichtsregionen blieben noch in überschaubaren Grenzen.